Keine „Verschiebung“ von Sozialhilfeempfängern in die gesetzliche Krankenversicherung

Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 10.05.2016 – L 11 KR 5133/14

Keine „Verschiebung“ von Sozialhilfeempfängern in die gesetzliche Krankenversicherung

Das LSG Stuttgart hat entschieden, dass ein Sozialhilfeempfänger, der Hilfeleistungen im Krankheitsfall vom Sozialamt erhält, nur unter engen Voraussetzungen vom Sozialamt in die Versicherungspflicht bei den gesetzlichen Krankenkassen überwiesen werden kann.

Die 80jährige Rentnerin erhält eine geringe russische Rente von ca. 200 Euro/Monat, die auf die Sozialhilfe angerechnet wird. Das zuständige Sozialamt fasste die gesamte Rentenzahlung für das Jahr 2010 in einem Monat zusammen, hob im Dezember 2010 rückwirkend nur für November 2010 die Gewährung von Sozialhilfe auf und meldete die Rentnerin bei der AOK an. Anschließend erhielt die Rentnerin wieder laufend Sozialhilfe unter monatlicher Anrechnung der Rente. Die AOK weigerte sich, die Frau aufzunehmen und pochte auf die fortbestehende Zuständigkeit des Sozialamts.
Die Klage der Rentnerin gegen die AOK war in erster Instanz erfolgreich. Das SG Freiburg hatte entschieden, die AOK sei an die Entscheidung des Sozialamts gebunden.

Die Berufung der AOK war vor dem LSG Stuttgart erfolgreich.

Nach Auffassung des Landessozialgerichts kann bei Unterbrechung des Sozialhilfebezugs ab einem Monat eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung zwar greifen (sog. Auffangversicherung), aber dies gilt nicht für rückwirkend herbeigeführte Unterbrechungen und auch nicht für rechtswidrig herbeigeführte Unterbrechungen. Das Sozialamt konnte vorliegend nicht die gesamte Rente des Jahres 2010 punktuell in einem Monat zusammenfassen und damit für einen Monat den Sozialhilfebezug unterbrechen, sondern die Rente sei nach den gesetzlichen Vorgaben monatlich anzurechnen, weshalb es zu keiner Unterbrechung des Sozialhilfebezugs komme. Damit werde die Rentnerin nicht bei der AOK gesetzlich kranken- und pflegeversichert, sondern erhalte weiterhin die notwendigen Hilfeleistungen bei Krankheit oder Pflege auf Kosten des Sozialamts.

Das Landessozialgericht hat wegen grundsätzlicher Bedeutung die Revision zum BSG zugelassen.

Quelle: Pressemitteilung des LSG Stuttgart v. 19.05.2016

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